Jeder hat eine Vorstellung von Hillbillies: Hinterwäldler aus der tiefsten Provinz, The Beverly Hillbillies, Proleten in runtergekommenen Pick-Ups, ungebildete Inzüchtige. Aber was ist mit Neo-Hillbillies – die Nachkommen der ursprünglichen Pioniere, die vor 150 Jahren die Ozark Mountains besiedelten?
HOMEMADE HILLBILLY JAM folgt drei dieser Familien von neuzeitlichen Hillbillies in den Ozark Mountains im Südwesten Missouris zurück zu den Wurzeln ihres musikalischen Erbes. Angeführt wird die Meute von dem 34-
jährigen Singer/Songwriter Mark Bilyeu der Hillbilly-Band Big Smith (www.bigsmithband.com), die die Musikszene im Zentrum Amerikas aufgerüttelt haben mit energiegeladenen, selbstironischen Geschichten über das Leben mit ihrem weit reichenden Hillbilly-Clan in Bull Creek. Alle gut erzogene, neuzeitliche Hippies, die mit Gospel- und Folkmusik aufgewachsen sind. Mark und seine Cousins bei Big Smith sind erfrischend anachronistisch in
der heutigen rasenden Welt, und eine lebhafte Erinnerung an die Teufelskerle ihrer Schnaps brennenden Vorfahren.
Während ihre scharfen Zungen und linksgerichteten Sympathien einen Schandfleck darstellen in dieser überzeugt
konservativen Baptistenregion, hat der beständige Einsatz von Big Smith, das musikalische Erbe ihrer Familie aufrecht zu erhalten, ihnen großes Lob von Fans verschiedenster Überzeugung eingebracht.
In den Ozarks ist Blut dicker als Wasser, und jeder scheint mit jedem verwandt zu sein. Mark und seine Cousins sind keine Ausnahme. 1959 waren ihre Verwandten, die Mabes, die ersten die eine Show im nahe gelegenen Branson gründeten. Obwohl The Baldknobbers als echte Hillbilly-Show begann, sind die Mabes und
ihre Nachkommen längst kommerziell erfolgreich, und haben sich der Welle der glitzernden Neonlichter und Stars and Stripes angeschlossen, die die Showstadt Branson im Bibelgürtel auszeichnen.
Für Mark und Big Smith, die von mehr als einem Produzenten in Branson umworben wurden, repräsentieren The Baldknobbers die alptraumhafte Vision ihre Seelen zu verkaufen und in einer musikalischen Routine gefangen zu sein, der zu entkommen nur wenige Musiker in Branson schaffen. Heute kann man sich kaum vorstellen, welchen enormen Einfluss The Baldknobbers auf Mark und seine Cousins hatten während sie aufwuchsen; Mark nimmt an, dass er die Show mehr als 100 mal gesehen hat!
Die Pine Ridge Singers könnten kein stärkerer Kontrast zu The Baldknobbers sein. Diese entfernten Verwandten von Big Smith, die sich nicht ganz sicher sind wie sie genau miteinander verwandt sind (“Du sagst einfach Bilyeu hier in der Gegend und irgendwie bezieht sich das auf jeden…”), sind deutlich mehr Hillbilly als alle anderen im Film. Larry “Dupe” Brown, der Patriarch der Familie, wurde in einer Blockhütte in den Ozarks geboren, wo er auch aufwuchs, und ist fest entschlossen, das Land im Besitz der Familie zu halten.
Wenn er nicht unterwegs ist, die Kühe zu füttern, spielt er Jimi Hendrix-Imitationen auf seiner elektrischen Mandoline. Zusammen mit seiner Frau Dottie, Tochter Debbie, Schwiegersohn Dana und Enkel Larry, spielt Dupe bei monatlichen Evangeliumsgottesdiensten in der Pine Ridge Kirche im Mark Twain Nationalwald nahe der Taney / Christian Countygrenze. In ihrer etwas unbeholfenen doch tief empfundenen Art verkörpern die Pine Ridge Singers
eine ländliche Gospeltradition, die fortwährend schwerer zu finden sein wird.
HOMEMADE HILLBILLY JAM vermeidet eine historische oder sozioökonomische Annäherung an die Hillbilly-Kultur zu Gunsten des Einblicks aus der Sicht eines Insiders in das musikalische Erbe seiner Familie. Marks nachdenkliche, manchmal lakonische Art, sein dunkler Humor, seine starke Bindung zum Land und zu seiner Familie und seine Ambivalenz gegenüber den Zeiten, in denen wir leben, bezeichnen die Stimmung des ganzen Films. Aufwendig auf Super 16 gedreht und ausgeschmückt mit alten Fotos und Archivmaterial genießt HOMEMADE HILLBILLY JAM die übernatürliche Beschaffenheit der ländlichen Hillbilly-Welt und die gedeckten Farben und geisterhaften nackten Bäume auf den Hügeln im Spätherbst. Zum größten Teil verzichten wir auf durchgesessene Interviews und bevorzugen Unterhaltungen und spontane Gespräche vor und nach den Konzerten, an Thanksgiving,
während einer Jam Session in einer alten Landkirche, am Lagerfeuer, etc.
Obwohl diese Gespräche eine wichtige Rolle spielen, ist es die Musik, die uns durch den Film führt. Sie führt uns von einem Big Smith Konzert zu einem Familien Jam, in die Welt des Gospel, und weg zu den Neonlichtern von The
Baldknobbers und Branson. Lieder werden nicht erklärt sondern gefühlt in der Intensität der spielenden Musiker, in einem fieberhaften Waschbrett-Duell, in Cousin Jays rasendem Löffelspiel, in Marks zitternder Stimme und seinem sonnenbeschienenen Gesicht in einem alten Schulhaus, während er ein Folklied singt, das durch die Generationen weitergegeben wurde, und in den Texten, die verdrehte Erzählungen über Mondschein und Ehebruch und tief empfundene Geschichten über Glaube und das Leben als neuzeitlicher Hillbilly in einer sich rapide verändernden Welt umspannen.
HOMEMADE HILLBILLY JAM ist ein Film für die Seele, ein Fest tiefer und doch zerbrechlicher Emotionen, ein Gruß an den Hillbilly-Geist, der sich weigert zu sterben.